Kunstgalerie Stenkelfeld

Die Sitzreihe 24 D-G

Die Kunstgalerie Stenkelfeld präsentiert:
100 Meisterwerke


"Die Sitzreihe 24 D-G"

LH 667
Frankfurt - Los Angeles
kurz nach Erreichen der endgültigen Parkposition

Familie Martin Glüsenkamp
l997

"Wir hoffen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu können."

Wie eine schallende Ohrfeige wirkt diese letzte Platitude aus den Bordlautsprechern der Boeing 747 angesichts des Kunstwerkes, das wir heute einmal näher betrachten wollen.

"Die Sitzreihe" verbindet in hinreißender Naivität klaustrophobische Bedrohungszustände mit lokalen Entsorgungskonflikten bis hin zum Vermüllungssyndrom im Vollbild. Nur mühsam finden wir in unserer Erfahrungswelt vergleichbare Authentizität: Erinnert uns der Anblick an die fensterlose Geißelzelle des Strafklosters Murnau im vierten Bußjahr? Die erste Sperrsitzreihe des "Roxy"-Spielfilmpalastes Elmshorn 1959 nach der Premiere von "Ben Hur" nebst Vorfilm und Reklame? Oder doch nur an die Videokabine im Sex-Shop "Krusau" nach einem 3-tägigen Warnstreik der Reinmachefrau?

Aufgeräumt!

Mit dem Werk "Die Sitzreihe 24 D-G" stehen Martin Glüsenkamp, seine Schwiegermutter und die beiden kleinen Töchter für ein ganzes Heer zeitgenössischer Aktionskünstler, die durch die Inspiration eines Langstreckenfluges ihre ganze Kreativitat entfalten und dabei auf bewährte Materialien zurückgreifen: Da ist die bleischwere Sonntagsausgabe der "Welt" im Format 80x1,20 mit großem Immobilienteil, dem ausführlichen Stellenmarkt und der Sonderbeilage "Bauen und Wohnen", die zusammen mit dem "Duty-Free-Magazin" und dem Sicherheitsbordbuch lückenlos den Boden bedeckt und uns das Bild des großen Lagerhofs der Altpapierverwertung Delmenhorst förmlich aufdrängt.

Da ist die seitlich eingerissene Sitztasche, deren dünnes Netz dem enormen Staudruck von sechs Plastikbechern, vier Bananenschalen, zwei Stangen LUX-Filter sowie des zweitausend Seiten starken Uta-Danella-Romans "Der verliebte Frauenarzt am Strand von Venedig im Herbst des Lebens bei Sonnenuntergang" nicht standzuhalten vermochte. Die in den Sitzritzen hoffnungslos verkeilte Gurtschnalle zeigt anklagend auf eine schillernde Pfütze aus Cola Light, Pfirsichsaft, Rotwein und Magenbitter, die einer schweren Turbulenz über Neufundland zu verdanken ist.

Von welchen Gefühlen ließen sich die Glüsenkamps bei ihrer Schöpfung leiten? War es permanenter Harnstau auf den von Servicewagen blockierten Gängen? War es jener fein sirrende Kopfschmerz, den nur stundenlanger Sauerstoffmangel so veredeln kann? War es der prickelnde Reiz ausgetrockneter Schleimhäute? Oder nur das Stechen in der Kniescheibe, die dem Entspannungs-Knopfdruck des Vordermanns Tribut zollen mußte? Die Antwort lesen wir in den Beinen von Glüsenkamps Schwiegermutter nach 15 Stunden kreativer Muße in der Econorny-Class. In Stärke und Struktur unterscheiden sich ihre einst schlanken Knöchel in nichts mehr vom knotigen Stamm der Brauteiche vor Söderup.

Omas Beine

Der werkgeschichtliche Zusammenhang zwischen Glüsenkamps Werk "Die Sitzreihe D-G" und dem Tarifsystem internationaler Fluggesellschaften erschließt letztlich die zentrale Aussage dieses Meisterwerks: "Die Würde des Menschen ist unbezahlbar". Auch bei unserern heutigen Exponat stand seinen Schöpfern das Unglück treu zur Seite: Aus Angst vor dem Rückflug blieb Martin Glüsenkamp mit seiner Familie in Amerika und arbeitet heute als Platzanweiser eines Autokinos in der Bronx.

 

KUNSTGALERIE ARCHIV

"Die Hochzeitszeitung".
"Die Tischdecke".
"Deutscher Behördenschreibtisch".
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"Die Autobahnbaustelle".

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