Die
Kunstgalerie Stenkelfeld präsentiert: |
"Wir
hoffen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu können." Wie eine schallende Ohrfeige wirkt diese letzte Platitude aus den Bordlautsprechern der Boeing 747 angesichts des Kunstwerkes, das wir heute einmal näher betrachten wollen. "Die Sitzreihe" verbindet in hinreißender Naivität klaustrophobische Bedrohungszustände mit lokalen Entsorgungskonflikten bis hin zum Vermüllungssyndrom im Vollbild. Nur mühsam finden wir in unserer Erfahrungswelt vergleichbare Authentizität: Erinnert uns der Anblick an die fensterlose Geißelzelle des Strafklosters Murnau im vierten Bußjahr? Die erste Sperrsitzreihe des "Roxy"-Spielfilmpalastes Elmshorn 1959 nach der Premiere von "Ben Hur" nebst Vorfilm und Reklame? Oder doch nur an die Videokabine im Sex-Shop "Krusau" nach einem 3-tägigen Warnstreik der Reinmachefrau? Mit dem Werk "Die Sitzreihe 24 D-G" stehen Martin Glüsenkamp, seine Schwiegermutter und die beiden kleinen Töchter für ein ganzes Heer zeitgenössischer Aktionskünstler, die durch die Inspiration eines Langstreckenfluges ihre ganze Kreativitat entfalten und dabei auf bewährte Materialien zurückgreifen: Da ist die bleischwere Sonntagsausgabe der "Welt" im Format 80x1,20 mit großem Immobilienteil, dem ausführlichen Stellenmarkt und der Sonderbeilage "Bauen und Wohnen", die zusammen mit dem "Duty-Free-Magazin" und dem Sicherheitsbordbuch lückenlos den Boden bedeckt und uns das Bild des großen Lagerhofs der Altpapierverwertung Delmenhorst förmlich aufdrängt. Da ist die seitlich
eingerissene Sitztasche, deren dünnes Netz dem enormen Staudruck von sechs
Plastikbechern, vier Bananenschalen, zwei Stangen LUX-Filter sowie des zweitausend Seiten
starken Uta-Danella-Romans "Der verliebte Frauenarzt am Strand von Venedig im Herbst
des Lebens bei Sonnenuntergang" nicht standzuhalten vermochte. Die in den Sitzritzen
hoffnungslos verkeilte Gurtschnalle zeigt anklagend auf eine schillernde Pfütze aus Cola
Light, Pfirsichsaft, Rotwein und Magenbitter, die einer schweren Turbulenz über
Neufundland zu verdanken ist. Der werkgeschichtliche Zusammenhang zwischen Glüsenkamps Werk "Die Sitzreihe D-G" und dem Tarifsystem internationaler Fluggesellschaften erschließt letztlich die zentrale Aussage dieses Meisterwerks: "Die Würde des Menschen ist unbezahlbar". Auch bei unserern heutigen Exponat stand seinen Schöpfern das Unglück treu zur Seite: Aus Angst vor dem Rückflug blieb Martin Glüsenkamp mit seiner Familie in Amerika und arbeitet heute als Platzanweiser eines Autokinos in der Bronx. |