Kunstgalerie Stenkelfeld

Yvonne & Markus

Die Kunstgalerie Stenkelfeld präsentiert:
100 Meisterwerke


"Die Hochzeitszeitung"

Essayistische Collage

14 Seiten DIN-A-4 - getackert
Brautleute Yvonne und Markus Pisspöki
Bendestorf 1997

"Eventuell kann man auch ohne Trauschein glücklich werden", sagte einmal überraschend ein Sprecher des Vatikans.

Die Erklärung für diese Worte findet sich in
dem Kunstwerk, das wir heute einmal näher betrachten wollen.

"Die Hochzeitszeitung" überspielt in verschwenderischer Einfalt und üppiger Naivität den natürlichen Widerspruch zwischen selbstbestimmten Lebensentwürfen und dem bedrohlichen Anpassungsdruck bürgerlicher Existenz.
Ohne Konzession an das Zufallsprinzip menschlicher Schicksale konstruiert dieses Werk in hinreißender Geradlinigkeit ein regelrechtes Naturgesetz, daß die Ehe einst in den Schöpfungsplan verankerte wie Albino-Krebse in einen lichtlosen Höhlensee.

Da ist das gemeinsame Kinderfoto vom Girlandenfest der freiwilligen Feuerwehr auf der Umschlagseite: Hand in Hand vor dem festlich geschmückten Tanklöschfahrzeug "Mannesmann T 24" geben die beiden einem Gedanken Hölderlins in einem Brief an seinen Freund Neuffer Anfang April 1794 Gestalt: "Der Zauber der Neuheit ist längst bei uns verschwunden". Diese etwas unbeholfene Formulierung Hölderlins wurde von den Autoren der "Hochzeitszeitung" in mühevoller Kleinarbeit sinnfällig transformiert ohne ihre philosophische Kraft einzubüßen:

"Schon damals war es allen klar:
Yvonne und Markus werden später bestimmt mal ein Paar."

Mannesmann T 24


Dieses nachgerade akrobatische Stilelement eines akzentuierenden Verssystems zieht sich wie ein roter Faden durch das Gesamtkunstwerk, daß durch das geschickte Setzen von sorgfältig ausgewählten Reimpaaren wie
"Jahr, Hurra, na klar, wahr" oder auch "sind - geschwind" sowie "zum Feste - das Allerbeste" selbst semantische Höhenflüge sowohl für die Arbeitskollegin aus der Kreisverwaltung als auch für den 2. Vorsitzenden des Sportvereins zur sicheren Landung bringt.

Ein werkgeschichtlicher Seitenblick erschließt uns "Die Hochzeitszeitung" als Frucht eines Kreativprozesses, dessen Bild wir an dieser Stelle nicht länger verdrängen können.
Versammelt um den für 8 Personen ausziehbaren Resopal-Tisch der künftigen Schwägerin brütet die Schar der Freunde und Anverwandten bei beachtlichen Mengen "Kleiner Feigling", Erdnußlocken und "Marlboro Lights" kichernd und glucksend über der Festschrift; sich immer wieder an Pointen überbietend und lautstark in Ideen überschreiend, wie die Versammlung der preussischen Generalität unter Feldmarschall von Hupenberg bei der Suche nach der besten Strategie zur Erstürmung des Schanzenklosters "Maletzke" auf den Anhöhen vor Kurland.

"Die Hochzeitszeitung" imprägniert mit epischer Wucht unsere latente Versuchung, dem sozialen Normierungszwang durch Tante Frieda und den örtlichen Sparclub nachzugeben. Gekonnt ermutigt sie uns, das Unaussprechliche zu formulieren:
Eventuell kann man auch ohne Trauschein glücklich werden.

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