"Eventuell
kann man auch ohne Trauschein glücklich werden", sagte einmal überraschend ein
Sprecher des Vatikans.
Die Erklärung für diese Worte findet sich in dem Kunstwerk, das wir heute einmal näher betrachten wollen.
"Die Hochzeitszeitung" überspielt in verschwenderischer Einfalt und üppiger
Naivität den natürlichen Widerspruch zwischen selbstbestimmten Lebensentwürfen und dem
bedrohlichen Anpassungsdruck bürgerlicher Existenz.
Ohne Konzession an das Zufallsprinzip menschlicher Schicksale konstruiert dieses Werk in
hinreißender Geradlinigkeit ein regelrechtes Naturgesetz, daß die Ehe einst in den
Schöpfungsplan verankerte wie Albino-Krebse in einen lichtlosen Höhlensee.
Da ist das gemeinsame Kinderfoto vom Girlandenfest der freiwilligen Feuerwehr auf der
Umschlagseite: Hand in Hand vor dem festlich geschmückten Tanklöschfahrzeug
"Mannesmann T 24" geben die beiden einem Gedanken Hölderlins in einem Brief an
seinen Freund Neuffer Anfang April 1794 Gestalt: "Der Zauber der Neuheit ist längst
bei uns verschwunden". Diese etwas unbeholfene Formulierung Hölderlins wurde von den
Autoren der "Hochzeitszeitung" in mühevoller Kleinarbeit sinnfällig
transformiert ohne ihre philosophische Kraft einzubüßen:"Schon
damals war es allen klar:
Yvonne und Markus werden später bestimmt mal ein Paar."
Dieses nachgerade akrobatische Stilelement eines akzentuierenden Verssystems zieht sich
wie ein roter Faden durch das Gesamtkunstwerk, daß durch das geschickte Setzen von
sorgfältig ausgewählten Reimpaaren wie
"Jahr, Hurra, na
klar, wahr" oder
auch "sind -
geschwind" sowie "zum Feste - das
Allerbeste"
selbst semantische Höhenflüge sowohl für die Arbeitskollegin aus der Kreisverwaltung
als auch für den 2. Vorsitzenden des Sportvereins zur sicheren Landung bringt.
Ein werkgeschichtlicher Seitenblick erschließt uns "Die Hochzeitszeitung" als
Frucht eines Kreativprozesses, dessen Bild wir an dieser Stelle nicht länger verdrängen
können.
Versammelt um den für 8 Personen ausziehbaren Resopal-Tisch der künftigen Schwägerin
brütet die Schar der Freunde und Anverwandten bei beachtlichen Mengen "Kleiner
Feigling", Erdnußlocken und "Marlboro Lights" kichernd und glucksend über
der Festschrift; sich immer wieder an Pointen überbietend und lautstark in Ideen
überschreiend, wie die Versammlung der preussischen Generalität unter Feldmarschall von
Hupenberg bei der Suche nach der besten Strategie zur Erstürmung des Schanzenklosters
"Maletzke" auf den Anhöhen vor Kurland.
"Die Hochzeitszeitung" imprägniert mit epischer Wucht unsere latente
Versuchung, dem sozialen Normierungszwang durch Tante Frieda und den örtlichen Sparclub
nachzugeben. Gekonnt ermutigt sie uns, das Unaussprechliche zu formulieren: Eventuell kann man auch ohne
Trauschein glücklich werden.
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