Horst Frank Institut

In der Teeküche

Aktuellstes Forschungsobjekt
der Wissenschaftler des
Horst-Frank-Instituts:

DIE TEEKÜCHE
des Textilhauses Hörmeyer

Miitagszeiten: Mo. bis Fr. von
12:00 Uhr - 13:03 Uhr.
Anzahl der Angestellten: insgesamt 64

Noch unübersichtlicher als das Tarifsystem der Bahn ist
nur noch eine typische, dem Ordnungssinn der
Angestellten (und damit sich selbst) überlassene Betriebs-Teeküche nach ca. 3 normalen Arbeitstagen.
Als Endlager für verschmähte Speisen und Getränke aller Art rückt dieses Refugium seltenster Mikroben und
farbenprächtiger Zersetzungprozesse in das Blickfeld der
Wissenschaft.
Ehrfurchtsvolle Bewunderung und zufriedene Gesichter
gab es zum Beispiel in der vergangenen Woche bei rund
150 Chemikern und Biologen in der kleinen
Personalküche des Textilhauses Hörmeyer.
Auf einer Pressekonferenz brachten die Forscher des
Horst-Frank-Instituts ihre Begeisterung über die ersten
Beobachtungen zum Ausdruck.

Am Anfang der Veranstaltung stand der Dank an die
64-köpfige Belegschaft des Textilunternehmens Hörmeyer
und Söhne für den Erhalt eines Biotops von unschätz-
barem Wert, das vielen vom Aussterben bedrohten
Organismen und organischen Verbindungen neue
Lebenschancen bot. Projektleiter Prof. Dr. Erwin
Pöppensieker, Mikrobiologe an der Uni Münster,
bezeichnete die Teeküche der Firma geradezu als einen
Glücksfall für die Wissenschaft:

"Was uns begeistert ist die Vielzahl der Forschungsob-
jekte, die hier auf uns einstürmt, man weiß gar nicht, wo
man anfangen soll. Die Untersuchungen konzentrierten
sich zunächst auf das Ekelgas Methan C12; es wurde
bisher in geringen Mengen bei Vulkanausbrüchen
nachgewiesen, entsteht aber -- wie wir jetzt wissen - in
weit höherer Konzentration auch bei der Kompostierung
von Kartoffelsalat. Des weiteren scheint es den Mitar-
beitern dieser Firma gelungen zu sein, in den Resten
eines ca. Achzehn Jahre alten Broccoli-Auflaufs den
äußerst seltenen Gemüse-Schleimolm wieder heimisch zu
machen, oder - wieder nur eine von vielen Sensationen:
Wir haben in einem Obstsalat unbestimmbaren Alters
Larven des blauen Bananensichlers entdeckt, einer
Spezies, die selbst in ihrem Ursprungsland Uganda
nicht mehr anzutreffen ist."

Durchwurmter Apfel


So erfreulich die wissenschaftliche Ausbeute in der
Teeküche der Firma Hörmeyer und Söhne auch war;
die Angestellten lebten -- so Prof. Dr. Pöppensieker --
jahrelang in unmittelbarer Nähe einer biologischen
Zeitbombe:

"Zu nennen wäre hier in erster Linie eine recht
ansehnliche Population äußerst resistenter Pesterreger
in der einhundertdreißigsten Generation, der einer
indischen Reispfanne aus dem Jahre 1967 als Nähr-
lösung diente. Und selbst für den Laien mit bloßem
Auge erkennbar: Eine fast vollständig erhaltene, gefüllte
Paprikaschote, die einer Familie hochtoxischer benga-
lischer Moorskorpione Unterschlupf geboten hat.
Rätselhaft sind uns zur Zeit noch fußballgroße, pink-
farbene Schimmelwälder über einer Mischung aus Quark-
und Kaffeeresten."

Doch damit nicht genug. Die Fundstelle bietet auch
Spielraum für Spekulationen aus dem Reich des
Aberglaubens: Auf der Pyramide nicht abgewaschenen
Geschirrs lastet der Fluch der Pharaonen.
Dazu Professor Pöppensieker:

"In der Tat fanden sich entlang der Mittelgräte eines
Maischollen-Skeletts aus der Gründerzeit jene winzigen,
gelblichen Pilzkulturen, die zuletzt bei der Öffnung des
Grabes von Tut-Ench-Amun entdeckt wurden."

Was die Wissenschaftler freut, treibt die Belegschafts-
mitglieder von Hörmeyer und Söhne jetzt auf die Barri-
kaden. Sie drängen auf die sofortige Wiedereröffnung
ihrer Teeküche, die sich -- so die Angestellten -- in keiner
Weise von denen in anderen Firmen unterscheide.

Mikrokosmos Teeküche

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